Kältespeicher

Neben der Möglichkeit (solare) Wärme zu speichern, gibt es auch die Möglichkeit Kälte (in Form von Eis) zu speichern. Obgleich dies schon lange bekannt und genutzt worden ist, ist es vermutlich nicht jedem geläufig. Die folgende Kurzbeschreibung versucht zu zeigen, wie es der Menschheit mit Eishäusern gelungen ist, Kälte problemlos zu speichern und sinnvoll zu nutzen. Zwar kann die Speicherung von Kälte in Eis nicht direkt mit der Speicherung von Wärme in Feststoffen verglichen werden,  aber ich finde es doch erwähnenswert, dass es vor vierhundert Jahren schon möglich war, Eis vom Winter bis in den Sommer zu lagern, während heutzutage vielfach noch so getan wird, als wäre es völlig unmöglich, Wärme über vergleichbare Zeiträume zu speichern.

Eishäuser

Um Nahrungsmittel über einen längeren Zeitraum aufbewahren zu können, werden diese seit jeher getrocknet, gesalzen, eingelegt oder geräuchert. Aber erst seit es Kühlmöglichkeiten gibt, konnten Nahrungsmittel ohne wesentliche Veränderungen über längere Zeit gelagert werden. Mit dem Bau der dafür notwendigen Eishäuser

 

(https://en.wikipedia.org/wiki/Ice_house_(building)#History)

 

wurde in Europa zu Beginn des 17. Jahrhunderts (zum Beispiel 1619 in Greenwich) begonnen. Eine gute Beschreibung der Geschichte der Eishäuser in Großbritannien liefert Tim Buxbaum (1998) mit seinem Buch "Icehouses".

 

Die ersten in Großbritannien gebauten Eishäuser hatten allerdings den Sinn, Eis zum Kühlen von Wein oder für die Zubereitung von sommerlichen Nachtischen zu liefern. Mehr zufällig entdeckte der Philosoph Francis Bacon 1626, dass sich Geflügel in Schnee verpackt längere Zeit frisch hielt. Den Segen seiner Entdeckung konnte er aber nicht mehr genießen, da er an der Grippe starb, die er sich bei seinen Untersuchungen zugezogen hatte.

 

Die Verbreitung von Eishäusern geschah langsam, aber in der Mitte des 19. Jahrhunderts besaßen fast alle Landhäuser ein Eishaus. Diese Häuser dienten hauptsächlich der Aufbewahrung von Nahrungsmitteln. Es gab aber auch Häuser, in denen ausschließlich Eis gelagert wurde, um dann für die Kühlung beim Transport von Fisch verwendet zu werden.

 

Die Bauweise der Eishäuser war vielfältig. In der Regel bestanden sie aus einem in den Boden eingelassenen kreisförmigen Raum aus Backsteinwänden. Die Abdeckung war häufig ein Reetdach oder eine Kuppel aus Backsteinen, die mit Erdreich abgedeckt wurde. Der Zugang geschah in vielen Fällen über einen meist länglichen Flur, der eine oder mehrere Türen besaß. Ein wichtiges Baumerkmal war ein Drainagesystem, mit dem das Schmelzwasser aus den Eishäusern geführt wurde. Die nicht industriell genutzten Eishäuser hatten einen Durchmesser von drei bis vier Metern und eine Kapazität von zwanzig bis vierzig Tonnen Eis. Die industriell genutzten Häuser hatten Grundflächen mit einer Kantenlänge bis zu neunzehn Metern und konnten mehrere Tausend Tonnen Eis, teilweise in getrennten Räumen, aufnehmen.

 

Das Eis zum Füllen der Eishäuser wurde am Anfang aus natürlichen oder künstlich angelegten Teichen entnommen. Wenn die Witterungsbedingungen schlecht waren, wurde auch Schnee von Feldern und Wiesen geholt und gestampft. Später entwickelte sich ein richtiges Vertriebsnetz für Eis, das zum Beispiel den Lake Distrikt als Quelle nutzte, aber auch Importe aus den USA und Norwegen fanden in großem Stil statt. So wurden etwa im Jahr 1884 dreihunderttausend Tonnen Eis aus Norwegen eingeführt.

 

Das Ende der Eishäuser begann mit der Möglichkeit, maschinell Kälte zu erzeugen. Das wahrscheinlich erste weltweit gebaute Kühlhaus entstand 1861 in Sydney, Australien. Aber nicht nur die sich entwickelnde Kühltechnologie, sondern ebenfalls der Anstieg der mittleren Jahrestemperatur in der Zeit von 1880 bis 1940 reduzierte den Einsatz von Eishäusern. Die letzten von ihnen waren bis zum Ende des zweiten Weltkrieges im Gebrauch und noch heute sind viele von ihnen in Großbritannien erhalten und zu besichtigen.

 

Ein Video über ein erst vor kurzem wieder entdecktes Eishaus (Inside London's lost ice house) in London, was ganzjährig genutzt werden konnte, zeigt die BBC (2019).

 

("https://www.bbc.com/news/av/uk-46760121/inside-london-s-lost-ice-house")

 

Neben der vierhundertjährigen Geschichte von Eishäusern in Europa, muss erwähnt werden, dass diese Technik sehr wahrscheinlich andernorts deutlich länger bekannt und genutzt wurde, wie einem Bericht zur Technik-Geschichte von S. Hense-Ferch (2000) zu entnehmen ist, in dem von einem chinesischen Liederbuch aus der Zeit elfhundert vor Christus berichtet wird, in dem bereits Eiskeller erwähnt wurden.

 

 

Aus eigener Erfahrung – ich hatte meinen Lebensmittelpunkt über mehr als zehn Jahren in London – kann ich sagen, dass es heutzutage ausgeschlossen scheint, dass in England irgendwelche Teiche, Seen oder Bäche so zufrieren, dass die Gewinnung von Eis im größeren Stil denkbar wäre. Der Umstand, dass die Eishäuser in England über beinahe drei Jahrhunderte mit Eis aus England versorgt werden konnten, dies dann aber plötzlich durch Klimaveränderungen nicht mehr möglich war, zeigt ebenfalls, dass Klimaveränderungen schon immer aufgetreten sind. Diese Bemerkung soll keinesfalls unsere aktuellen Probleme verniedlichen.